Interview mit VSS-Botschafterin Lya, Jg. 2001
Nur eine Skoliose ... Ich führe ein ganz normales Leben!

Liebe Lya, wir freuen uns, dass du skoliosebetroffene Personen durch deine Erfahrungen unterstützen wirst und einige Fragen beantwortest.
Seit wann weisst du, dass du von einer Skoliose betroffen bist?
Bei der Diagnose war ich 12 Jahre alt.
Wieviel Grad betrug deine Skoliose, als sie erkannt wurde?
Die Skoliose war bereits auf 55 Grad fortgeschritten, als sie entdeckt wurde.
Wie wurde die Skoliose erkannt?
Ich war sehr sportlich und hatte keine körperlichen Probleme. Meiner Mutter fiel jedoch auf, dass meine Schulterblätter abstanden und ging mit mir zum Arzt. Nach verschiedenen Untersuchungen und Tests beim Hausarzt wurde meine Wirbelsäule in einer spezialisierten Klinik geröntgt.
Was hat dieser Befund bei dir ausgelöst?
Als ich in diesem Röntgensaal das erste Mal meine Wirbelsäule auf einem Röntgenbild sah, realisierte ich, wie schräg meine Wirbelsäule ist. Da bin ich erschrocken. Der Arzt erklärte uns die Röntgenbilder und wie wichtig es ist, sofort mit der Korsetttherapie anzufangen. Wir fuhren direkt vom Arzt zur Orthopädietechnik. Ich war damals 12 Jahre alt, dieses Tempo, diese Termine nah aufeinander, das war viel für mich.
Was hat dir geholfen, mit diesem Befund umzugehen?
Als ich in der Orthopädietechnik war und die Ausmessungen gemacht wurden, sah ich dort auch noch andere orthopädische Hilfsmittel und mir wurde bewusst, dass Skoliose nichts Schlimmes ist, dass viele betroffen sind und es Behandlungsmöglichkeiten gibt. Das Team in der Orthopädietechnik war von Anfang an für mich da und alle waren aufmerksam und freundlich.
Von wem erhieltest du zudem Unterstützung?
Ich ging regelmässig in die Physiotherapie, wo ich mit spezifischen Übungen unterstützt wurde. Meine Familie und mein Freundeskreis waren auch stets für mich da. Damals war ich bereits in der Oberstufe; in diesem Umfeld spielt das Aussehen bekanntlich eine grosse Rolle. In dieser Zeit der Pubertät ein Korsett zu tragen fand ich nicht angenehm, doch ich habe mich damit arrangiert.
Auf welche Weise hast du dich mit dem Thema Skoliose befasst?
Durch meine Physiotherapeutin und das Gyrotonic konnte ich viel über Skoliose lernen, aber ich war nie wirklich im Kontakt mit vielen Betroffenen. Das war auch nicht unbedingt mein Wunsch. Ich besuchte eine VSS-Tagung und gehe jetzt seit etwa sieben Jahren in die Physiotherapie.
Wie wurde deine Skoliose behandelt?
Primär mit einer normalen Physiotherapie und vor allem Gyrotonic, spezifisch nach Schroth eher selten.
Wie hast du die Behandlungen in deinen Alltag integriert?
Ich habe viel Sport gemacht, vor allem Volleyball, doch dies war wegen der Skoliose nicht ideal. Neben der Physiotherapie war ich im Fitnesstraining, ging zum Schwimmen und Joggen.
Wie konntest du die Termine mit der Schule und deinen anderen Aktivitäten unter einen Hut bringen?
Während der Oberstufe war es kein Problem. Meine Mutter holte mich jeweils ab und fuhr mich zu den Terminen oder ich fuhr mit dem Zug. In der Lehre wurde es schwieriger. Ich musste lernen, Prioritäten zu setzen.
Deine Skoliose wurde konservativ behandelt. Was hat dir geholfen, das Korsett konsequent zu tragen?
Mit zwölf Jahren war ich schon fast ausgewachsen, so dass ich das Korsett nur noch ein Jahr lange tragen musste, bis mein Wachstum komplett abgeschlossen war. Ich trug es nicht gerne, doch ich habe einfach «durchgebissen». Über das Korsett habe ich nicht viel geredet, ich gab dem Korsett auch keinen Namen.
Wie haben deine Freudinnen und Freunde reagiert, als du ein Korsett getragen hast?
Ich habe ihnen den Grund für die Korsettbehandlung erklärt. Einige waren interessiert und haben es verstanden, einige auch nicht. Das Thema war jedoch nicht so im Vordergrund. Wenn Fragen gestellt wurden, habe ich diese natürlich beantwortet.
Was würdest du anderen empfehlen, wenn sie ein Korsett tragen sollten? Hast du Tipps?
Das Ziel vor Augen haben und daran denken, dass es Sinn macht, das Korsett zu tragen. Die Stunden, in denen man das Korsett nicht trägt, beispielsweise beim Sport, doppelt geniessen! Und kein schlechtes Gewissen haben, wenn man das Korsett auch mal eine Stunde nicht trägt.
Neben der Therapie und den Behandlungen: Welche Unterstützung, Aktivitäten, Hilfsmittel findest du hilfreich und wertvoll?
Am meisten hat mir der Sport geholfen. Sport ist für mich auch heute noch sehr wichtig.
Wenn es um Früherkennung von Skoliose geht, was würdest du dir wünschen? Welche Massnahmen müsste man in der Schweiz durchführen?
Lehrpersonen in der Primarschule müssten stärker auf das Thema sensibilisiert werden. Insbesondere die Sportlehrpersonen, die auf den Bewegungsapparat spezialisiert sind, könnten Skoliose früher erkennen. Eine aufmerksame Lehrperson hätte meine Skoliose in der Primarschule erkennen können.
Wie geht es dir heute? Wie stark fühlst du dich eingeschränkt durch deine Skoliose?
Meine Skoliose wurde nicht schlimmer, zum Glück. Mir geht es gut! Ich habe die KV-Lehre abgeschlossen und studiere jetzt Wirtschaft. Äusserlich fällt meine Skoliose kaum auf, nicht mal meinem Freund fiel meine Skoliose auf. Ich habe keine grossen Beschwerden, eher kleinere wie manchmal Rückenschmerzen nach langem Sitzen. Da bei mir keine Organe in Mitleidenschaft gezogen sind, war eine Operation bisher nicht nötig.
Was macht dir Freude, was unternimmst du gerne?
Ich gehe gerne Schwimmen, Joggen, mache Fitness und Gyrotonic. Gelegentlich geniesse ich eine Massage. Ich bin sehr zufrieden und führe ein ganz normales Studentinnenleben!
Liebe Lya, wir danken dir herzlich für dein Engagement und wünschen dir alles Gute.
Mai 2022, Verein Skoliose Schweiz